Historisches

Das Portativ, auch Knieorgel oder Tragorgel genannt war eine vom 11. bis zum 16. Jahrhundert sehr verbreitete Kleinform der Orgel. Originalinstrumente sind nicht erhalten. Aus ikonographischen Belegen ergibt sich folgendes Bild:

Die Portative waren mit Lippenpfeifen ausgestattet, Zungenpfeifen kamen nicht vor. Die Anzahl der Pfeifen reichte von etwa acht bei sehr kleinen Instrumenten bis zu an die 30 bei sehr umfangreichen Instrumenten. Damit war eine gewisse Maximalgröße erreicht, größere Instrumente wären nicht mehr tragbar gewesen und somit keine Portative mehr.
Die Pfeifen waren ein- oder zweireihig angeordnet, wobei in der Regel die größte Pfeife links stand, die anderen der Tonhöhe nach abfallend rechts davon. Einzelne Abbildungen zeigen jedoch auch ein umgekehrtes Bild. Es gab  auch Portative mit mitraförmiger Pfeifenanordnung, also mit der größten Pfeife in der Mitte. Bisweilen waren auch einzelne größere Pfeifen in Gruppen gebündelt und mit besonderen Gehäuseteilen umfasst. Ihre Verwendung als Bordunpfeifen liegt nahe, was auch der Musikpraxis der damaligen Zeit entsprechen würde.

Ein Gehäuse im eigentlichen Sinn war nicht vorhanden. Die Pfeifen standen zwischen den Jochen unverkleidet auf der Windlade, die mit der Tastatur und dem rückwärtig  angebrachten Blasebalg eine konstruktive Einheit bildete.
Als Tasten dienten teils knopfartige Drücker, später auch Tastenhebel in verschiedenen Formen: gerade, abgerundet, gewölbt, in unterschiedlichen Farbgebungen für Ober-und Untertasten oder auch einheitlich gefärbt. Ältere Instrumente hatten teilweise diatonische Skalen, erst später kamen einzelne Halbtöne dazu (zuerst fis und b), bis zur vollchromatischen Tastatur im 15./ 16. Jahrhundert.

Der Balg befand sich jeweils an der Rückseite. Es gab aufrecht hängende oder liegend angebrachte Bälge. Frühe Instrumente hatten noch „Froschmaulbälge“ mit freien Lederfalten, später finden sich dann die auch im sonstigen Orgelbau üblichen Spanbälge mit Faltenbrettern, die durch Lederscharniere verbunden sind. Auf den meisten Abbildungen sehen wir einen einzelnen Schöpfbalg, der mit einer Hand bedient wird, während die andere Hand auf der Tastatur spielt. Gelegentlich ist zu sehen, dass nur der Daumen die Balgoberplatte belastet, eventuell unter Zuhilfenahme eines Lederbändchens, während die anderen Finger einen gegenläufig arbeitenden Schöpfbalg betätigen. Setzt man voraus, dass es zwei „Windsysteme“ gab (einzelner Schöpfbalg oder Schöpfbalg mit Magazin), hätte es auch zwei grundverschiedene Arten des Portativspiels gegeben:  ein einzelner Schöpfbalg verlangt nach Atempausen und Phrasierung, ein Portativspieler müsste seinen Luftvorrat vorausschauend und musikalisch sinnvoll gebrauchen. Das rückt ihn in die Nähe des Sängers oder Flötisten, mit allen Möglichkeiten der Tongestaltung durch variable Windqualität. Die Kombination  Schöpfer mit Magazin ermöglicht pausenloses Spiel, wie es von der Großorgel mit ihrem unbegrenzten Luftvorrat bekannt ist. Dies ist besonders beim bordunierenden Spiel von Vorteil, nimmt aber dem Spieler gleichzeitig die direkte Einflussnahme auf den Spielwind aus der Hand, da der Magazinbalg auch druckausgleichend wirkt. Somit hat der Spielwind eine maschinelle Seite, die das Portativ in die Nähe der Großorgel bringt. Die Abbildungen lassen jedenfalls die Vermutung zu, dass es beide Arten der Windversorgung gab.

Portative wurden in der Regel nicht allein gespielt. Meist sieht man sie im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, sie haben also im Ensemble eine Einzelstimme übernommen. Was natürlich nicht ausschließt, das der Portatifer auch einmal allein die Tasten rührte, um sich selbst oder seiner minniglichen Dame eine Freude zu bereiten.